Im letzten Jahr konnte ich den Organisten Nico Münzing erstmals für eine “freie” Improvisation mit Orgel und Saxophon/Flöte gewinnen. Für mich war dies aus zweierlei Gründen sehr spannend:
Zum einen hatte Nico zuvor noch nie ohne Absprachen improvisiert und betrat damit komplettes Neuland. Ohne vereinbarte Tonart und gemeinsames Metrum Musik zu machen war ihm fremd. Nicos Haltung beim Musikmachen kommt einer improvisatorischen Haltung jedoch sehr nahe und ich schätze sein musikalisches Selbstverständnis und seine unmittelbare Art beim Spielen sehr. (Siehe auch Nicos Beitrag in diesem Blog.)
Zum anderen hat die barocke mechanische Hagemann-Orgel (Baujahr 1777) in der Upfinger Kirche auf der Schwäbischen Alb unfassbar reichhaltige Sounds auf Lager, die alle unbedingt entdeckt und eingebaut werden wollen…
Drei Mal haben wir uns in den vergangenen Monaten zum Jammen in der Kirche getroffen und unser Interaktionsrepertoire Stück für Stück erweitert.
Diese Duo-Improvisation nun ins Internet zu verlagern, stellt eine große Herausforderung dar. Neben diversen technischen und organisatorischen Hürden rechne ich mit Schwierigkeiten bezüglich der sehr unterschiedlichen Raumakustik in der Kirche und in meinem Zimmer hier zuhause. Ich bin sehr gespannt, wie die jeweils unterschiedlichen Aufnahmen zu einer gemeinsamen Improvisation zusammenfinden werden.
2.5.20
Kurz vor 22:00, gerade noch so eben ein kleines Zeitfenster für eine Aufnahme, bevor es zu spät wird für die ohnehin sehr geduldigen Nachbarn.
Ich freue mich sehr darauf, zu der Orgelspur von Nico dazu zu spielen, bereite alles vor, Mikro, Rechner, Instrumente…. sorge für Ruhe im Rest der Wohnung. Kopfhörer auf. Hören. Sehr schön. Ich werde beim Soundcheck persönlich begrüßt, freue mich Nicos Stimme zu hören, es ist fast ein Bisschen so wie zusammen sein, sich zum Musikmachen treffen. Also, kann losgehen.
Doch leider ist die Aufnahme völlig übersteuert. Und nun? Die verbleibende Zeit bis 22:00 geht dafür drauf, die Spur entsprechend zu bearbeiten.
Ich bin stolz, dass ich es hingekriegt habe, lerne täglich dazu in Sachen Audiobearbeitung – nur leider ist es jetzt zu spät für eine Aufnahme. Schade. Enttäuschung macht sich breit.
Auch in „echten“ Jam-Situationen kann es technische Pannen geben, von fehlenden Proberaumschlüsseln über Stromausfall im Proberaum oder instrumentenspezifische Probleme bis zum Fernbleiben einer Mitmusikerin oder eines Mitmusikers. Nur kann man dann in der Regel wenigstens die Zeit mit den Anwesenden gemeinsam nett verbringen. Fällt aus. Die einzige Form des (musikalischen) Zusammenseins wäre jetzt gewesen – im digital vermittelten „gemeinsamen“ Spiel. Zu unterschiedlichen Zeiten. Mein Spiel wird auf morgen verschoben.
6.5.20
Nicos Aufnahmen zu meiner Anfangsspur kommen in kleinen Häppchen. Anscheinend ist das Audioaufnahmegerät so eingestellt, dass es bei Stille immer abschaltet und direkt eine neue Aufnahme beginnt. Mal sehen, ob Nico das dem Aufnahmegerät noch abgewöhnen kann.
Ich komme mir vor wie beim Zusammenbauen eines neuen Legokastens. Puzzle. Basteln ohne Bastelanleitung. Schon allein der Synchronisationsklatscher mit seinem phänomenalen Nachhall haut mich fast vom Hocker. Ich freue mich und lache herzhaft…
Beim Hören schießt mich mein eigener Forte-Einstieg gleich erst mal ab. Meine Kopfhörer sind voll aufgedreht. Ohje, ob ich Nico damit auch fast von der Kirchenbank geschleudert habe? Muss ich ihn mal fragen….